Nicht-präferenzieller Ursprung in den USA: „Wesentliche Veränderung“ am Beispiel eines Autos
25. März 2025

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25. März 2025
traide
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Einleitung
Globale Lieferketten führen dazu, dass Produkte häufig in mehreren Ländern hergestellt oder vormontiert werden. Dies wirft in der Zollpraxis die Frage auf, welchem Land ein solches Produkt ursprungsrechtlich zuzuordnen ist.
Insbesondere im nicht-präferenziellen Ursprung (d.h. unabhängig von Freihandelsabkommen) spielt der Begriff der „wesentlichen Be- oder Verarbeitung“ eine zentrale Rolle.
So erheben etwa die USA auf bestimmte Produkte chinesischen Ursprungs zusätzliche Einfuhrzölle (z.B. Section 301-Zusatzzölle) – umso wichtiger ist es, den tatsächlichen Ursprung korrekt zu ermitteln und in den Stammdaten zu pflegen.
In diesem Fachartikel wird erläutert, wie die US-Zollbehörde CBP den nicht-präferenziellen Ursprung anhand der „substanziellen Änderung“ bestimmt und warum einfache Endmontageprozesse oft nicht ausreichen, um den Ursprung zu ändern.
Ursprungsermittlung durch „wesentliche Veränderung“
Die Vereinigten Staaten definieren den Ursprung von Waren (für Zollzwecke und handelspolitische Maßnahmen) nach dem Kriterium der wesentlichen Be- oder Verarbeitung. Vereinfacht gesagt, gilt eine Ware als in dem Land hergestellt, in dem sie die letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung erfahren hat.
Eine wesentliche Be- oder Verarbeitung liegt vor, wenn durch Fertigungsschritte ein neues Produkt mit neuer Identität entsteht – in der oft zitierten Formel: ein Produkt mit neuem Namen, Charakter oder Verwendungszweck.
Wird eine eingeführte Ware in einem anderen Land lediglich bearbeitet oder zusammengesetzt, ohne dass sich ihre Eigenschaften wesentlich ändern, gilt diese Bearbeitung nicht als ursprungsbegründend. US-Gerichte und Zollbehörden neigen dazu, eine bloße Montage nicht als ausreichende wesentliche Änderung anzuerkennen. Insbesondere wenn der Verwendungszweck des Erzeugnisses bereits vor der Montage feststeht und die Einzelteile ihre Identität behalten, wird kein neuer Ursprung begründet.
Eine wesentliche Be- oder Verarbeitung liegt vor, wenn durch Fertigungsschritte ein neues Produkt mit neuer Identität entsteht – in der oft zitierten Formel: ein Produkt mit neuem Namen, Charakter oder Verwendungszweck.
Der Fall Volvo: Endmontage in Schweden, Vormodule aus China
Ein praktisches Beispiel lieferte der Fall Volvo (CBP-Ruling HQ H302821). Volvo produzierte bestimmte Fahrzeugmodelle in verteilter Fertigung: Wichtige Baugruppen wurden in China vormontiert, die Endmontage erfolgte dann in Schweden.
Zu den in China hergestellten Teilsystemen gehörten unter anderem eine lackierte Karosserie (mit Teilen aus Italien, dem Vereinigten Königreich, der Slowakei, Frankreich und China), ein Motormodul (mit Teilen unter anderem aus Schweden, Japan, den USA und China) und ein Hinterachsmodul (mit Teilen aus Schweden, Japan und Deutschland).
Ebenso wurden zahlreiche weitere Komponenten aus China (z.B. Motorhaube, Stoßfänger, Batteriesystem, Sitze) nach Schweden geliefert und dort in der Endmontage zusammengefügt. Die fertigen Fahrzeuge wurden schließlich von Schweden aus in die USA verschifft.
Die zentrale Frage für den Zoll lautete: Aus welchem Land stammen diese Fahrzeuge? China als Herstellungsort der vormontierten Kernmodule oder Schweden als Ort der Endmontage?
Die US-Zollbehörde (CBP) stellte klar, dass für die Anwendung der Zölle nach Section 301 die Substantial-Transformation-Analyse maßgeblich ist. Entscheidend war also, ob die Montage in Schweden als wesentliche Veränderung anzusehen ist, sodass ein neues Produkt mit neuer Identität (Name, Charakter, Verwendung) entsteht.
CBP verneinte dies. Die Behörde argumentierte, dass der komplexe Herstellungsschritt bereits in China und nicht in Schweden stattgefunden habe. Die fünf Hauptbaugruppen aus China wurden durch die Endmontage in Schweden nicht so wesentlich verändert, dass ein neues Produkt entstanden wäre.
Zum einen hatten diese vormontierten Module bereits einen vorbestimmten Zweck im Fahrzeug und behielten ihre spezifische Funktion. Zum anderen bewertete CBP die in Schweden durchgeführten Montageprozesse als nicht hinreichend komplex, um als ursprungsbegründende Fertigung zu gelten.
Die Einzelteile (Karosserie, Motor, Achse usw.) verloren durch den Zusammenbau nicht ihre Identität im zollrechtlichen Sinne. Folglich fand keine wesentliche Be- oder Verarbeitung in Schweden statt, sondern die letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung wurde in China vorgenommen.
Die Folge: Die Fahrzeuge galten trotz der Endmontage in Schweden weiterhin als Erzeugnisse chinesischen Ursprungs. Damit unterlagen die importierten Volvo-Fahrzeuge in den USA den zusätzlichen Strafzöllen von 25 % nach Section 301 für Waren chinesischen Ursprungs.
Dieses Ergebnis mag auf den ersten Blick überraschen, verdeutlicht aber die strikte Anwendung des Ursprungsprinzips: Entscheidend ist nicht der letzte Fertigungsort an sich, sondern der Ort der letzten wesentlichen Fertigungsschritte.
Die Einzelteile (Karosserie, Motor, Achse usw.) verloren durch den Zusammenbau nicht ihre Identität im zollrechtlichen Sinne. Folglich fand keine wesentliche Be- oder Verarbeitung in Schweden statt, sondern die letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung wurde in China vorgenommen.
Komplexe Lieferketten erfordern transparente Ursprungsklärung
Der Fall Volvo steht exemplarisch für die Herausforderungen moderner globaler Lieferketten. Wenn Komponenten und Baugruppen aus aller Welt in ein Endprodukt einfließen, ist die Rückverfolgbarkeit komplex – aber unverzichtbar.
Unternehmen müssen genau dokumentieren, welche Verarbeitungsschritte in welchem Land stattfinden und wo die Schwelle zur wesentlichen Veränderung überschritten wird.
Transparenz und Dokumentation sind dabei entscheidend: Im Zweifelsfall muss nachvollziehbar sein, welche Fertigung einem Produkt seine Identität verleiht. Vorsicht ist insbesondere bei einfachen Montagevorgängen (wie z.B. dem bloßen Zusammenfügen vorgefertigter Module) geboten – dies reicht oft nicht aus, um einen neuen Ursprung zu begründen. Eine lückenlose technische Stückliste und Produktionsdokumentation helfen, den Ursprung korrekt zu bestimmen und gegenüber den Behörden nachzuweisen.
Für Zollverantwortliche und Logistikleiter bedeutet dies: Neben der korrekten Tarifierung (Einreihung der Ware in den Zolltarif) muss auch der Ursprung eines Produktes im ERP-System korrekt gepflegt sein.
Bei der Einfuhr in die USA kann eine falsche Ursprungsdeklaration erhebliche finanzielle Folgen haben – sei es durch zu Unrecht gezahlte Zusatzzölle oder durch Nachforderungen und Sanktionen wegen falscher Ursprungsdeklaration.
Im Fall der Volvo-Fahrzeuge wäre speziell ein ursprünglich als „schwedisch“ deklariertes Fahrzeug trotz EU-Produktion anteilig falsch deklariert worden, da aus US-Sicht weiterhin „China“ als maßgebliches Ursprungsland galt.
Für Zollverantwortliche und Logistikleiter bedeutet dies: Neben der korrekten Tarifierung (Einreihung der Ware in den Zolltarif) muss auch der Ursprung eines Produktes im ERP-System korrekt gepflegt sein.
Fazit
Die US-Zollbehörden wenden bei der Bestimmung des nicht-präferenziellen Ursprungs strikt das Kriterium der wesentlichen Bearbeitung an. Das Beispiel Volvo zeigt eindrücklich, dass eine Endmontage in einem zweiten Land nicht automatisch den Ursprung ändert, wenn die vormontierten Hauptkomponenten bereits anderswo eine neue Identität erhalten haben.
Für Unternehmen mit komplexen Produktionsketten lautet die Lehre, den Ursprung ihrer Waren mit der gleichen Sorgfalt zu ermitteln und zu dokumentieren wie die Zolltarifnummer.
Nur so kann sichergestellt werden, dass bei Importen – z.B. in die USA – sowohl die Tarifierung als auch die Ursprungsangabe korrekt sind, um unerwartete Nachforderungen und Compliance-Probleme zu vermeiden.