US-Zölle ab April 2025: Was die neue „Reciprocal Tariff“-Politik für Importeure bedeutet
3. April 2025

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3. April 2025
traide
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Einleitung
Mit Wirkung zum 5. April 2025 tritt in den USA eine umfassende Zollmaßnahme in Kraft, die Importe aus nahezu allen Ländern betrifft. Der Hintergrund: Präsident Donald J. Trump hat am 2. April eine neue Exekutivanordnung unterzeichnet, die als Antwort auf strukturelle Handelsungleichgewichte eine zusätzliche Einfuhrabgabe in Höhe von mindestens 10 % auf den Warenwert vorsieht. Für bestimmte Länder mit besonders hohen bilateralen Handelsüberschüssen gegenüber den USA gelten ab dem 9. April sogar noch höhere länderspezifische Sätze.
Ziel der Maßnahme ist laut Weißem Haus, durch Gegenzölle („reciprocal tariffs“) faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen und die Abhängigkeit von ausländischer Produktion zu verringern.
Die wichtigsten Eckpunkte im Überblick
Zusatzzölle auf alle Importe ab 5. April 2025
Alle Waren, die ab diesem Datum in die USA eingeführt oder aus Zoll- oder Freizonen entnommen werden, unterliegen einem zusätzlichen Zollsatz von 10 %.
Wichtig: Diese Zölle gelten zusätzlich zu bereits bestehenden Abgaben, etwa den MFN-Zöllen oder Section-301-Zöllen – sie ersetzen diese nicht, sondern werden oben drauf addiert.
Ausnahme: Waren, die vor dem 5. April verschifft wurden und sich bereits auf dem Weg befinden, sind nicht betroffen.
Erhöhte Zölle für bestimmte Länder ab 9. April 2025
Für Länder mit einem besonders hohen Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA tritt am 9. April ein individueller, höherer Satz in Kraft. Die genaue Liste der Länder und Zollniveaus wird in Annex I der Verordnung festgelegt.
Wichtiger Hinweis (oder die gute Nachricht 🧐) zur Berechnung der Zölle
Die in der Verordnung festgelegten Wertzollsätze gelten ausschließlich für den Nicht-US-Ursprungsanteil einer Ware – sofern mindestens 20 % des Warenwertes der zugrundeliegenden Stückliste (BOM) auf US-Ursprungswaren entfallen. Diese sogenannte „US-Content Rule“ sollen sicherstellen, dass multinationale Lieferketten mit substanziellen US-Anteilen begünstigt werden.
Ein Beispiel: Wird ein komplexes Industrieprodukt mit 30 % US-Komponenten in Vietnam endmontiert und anschließend in die USA exportiert, so unterliegt nur der 70 %-ige Nicht-US-Anteil dem Wertzoll von 46% gemäß Annex I.
Ausnahmen für bestimmte Warengruppen
Einige Produktkategorien sind von den neuen Zöllen ausgenommen, u. a.:
Stahl- und Aluminiumprodukte, die bereits Section-232-Zöllen unterliegen (25 %)
Automobile und -teile, die seit dem 3. April einem separaten 25 %-Zollsatz unterliegen
Arzneimittel, Halbleiter, Kupfer, Holz, kritische Mineralien, Energie und Energieprodukte
Produkte wie etwa persönliche Kommunikation, Informationsmaterialien (z. B. Bücher, Filme), humanitäre Güter (z. B. Lebensmittel, Medikamente), reisebezogene Dienstleistungen (z. B. Flugtickets, Unterkünfte)
USMCA-konforme Waren
Diese Ausnahmen sind in Annex II der Exekutivanordnung detailliert beschrieben. CBP ist ermächtigt, die Ursprungserklärungen und die Logik der Ursprungstransformation bei allen Ausnahmen zu prüfen.
Wir werden in den nächsten Tagen einen genaueren Blick auf die Ausnahmen für bestimmte Warengruppen gemäß Annex II werfen.
Weitere operative Auswirkungen
Zollrückerstattung (Duty Drawback) scheint weiterhin zulässig zu sein – vorbehaltlich noch ausstehender Leitlinien der CBP.
Waren, die nach dem 9. April in eine Foreign Trade Zone (FTZ) gelangen, müssen unter „privileged foreign status“ angemeldet werden – damit ist der Zollsatz ab diesem Zeitpunkt festgeschrieben.
Die Verordnung enthält eine „Retaliation Clause“: Länder, die mit eigenen Zöllen auf die Maßnahme reagieren, können von weiteren Erhöhungen betroffen sein.
Kanada & Mexiko: USMCA bleibt gültig – aber nur für qualifizierte Ursprungswaren
Für Kanada und Mexiko gelten weiterhin separate Zusatzzölle auf nicht-konforme Waren im Rahmen bestehender Notfallregelungen wegen Migration und Drogenhandel. USMCA-konforme Waren bleiben zollfrei, nicht-konforme unterliegen einem 25 %-Zollsatz (genauer gesagt 10 % für bestimmte Rohstoffe wie Energie und Kali).
Bedeutung für importierende Unternehmen
Für Unternehmen, die Waren in die USA exportieren oder dort als Importeur tätig sind, ergeben sich wichtige Implikationen:
Kostenkalkulation prüfen: Die zusätzlichen Abgaben erhöhen den Einfuhrpreis deutlich.
Ursprungsregeln analysieren: USMCA-Konformität oder US-Inhalt (mind. 20 % der Wertschöpfung) kann Zölle verhindern. Dazu ist eine Stückliste mit den entsprechenden Ursprungsländern sowie Wert je Vormaterial notwendig.
Zolltarifnummern verifizieren: Ob eine Ware betroffen ist oder unter eine Ausnahme fällt, hängt direkt von der korrekten Einreihung im Harmonized Tariff Schedule (HTSUS) ab.
Lieferketten überdenken: Die USA möchten gezielt Anreize zur „Re-Shoring“-Produktion schaffen. Strategische Standortverlagerung kann zur Option werden.
Fazit
Die neue US-Zollmaßnahme ist weitreichend und betrifft nahezu alle Einfuhren. Unternehmen sollten schnell reagieren, um potenzielle Mehrkosten zu vermeiden oder zu minimieren. Bei traide AI analysieren wir die Auswirkungen solcher Maßnahmen auf Warentarifierungen und unterstützen mit der Zolltarifeinreihung – auch in komplexen Szenarien.
Wer wissen möchte, ob die eigenen Produkte betroffen sind oder unter Ausnahmen fallen, sollte auf fundierte HS-Einreihung und gezielte Auswertung von Annex I & II setzen.
Wir werden in den nächsten Tagen einen genaueren Blick auf die Ausnahmen für bestimmte Warengruppen gemäß Annex II werfen.