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Zolltarif leicht erklärt: Tipps für Kunststoff- und Stahlteile

5. November 2024

Veröffentlicht

5. November 2024

traide

info@traide.ai

Zugegeben, die Zolltarifierung ist eine heiße Kartoffel, die niemand gerne lange anfasst. Fehlinterpretationen des Zolltarifs sind verständlicherweise vorprogrammiert und in vielen Köpfen spukt noch immer der folgenschwere Gedanke, dass die Tarifierung doch vor allem für statistische Zwecke relevant sei und ihr deshalb keine Bedeutung beigemessen wird. In meiner Zeit als Zollberater habe ich immer wieder festgestellt, dass auf Lieferantenpapieren bestimmte Zolltarifnummern auftauchen, die oft schon auf den ersten Blick nicht richtig sein können. Ich war für verschiedene Industrieunternehmen tätig und habe solche Lieferantenpapiere täglich gesehen. Da ich mich selbst als «Zolltariffreak» bezeichne und mich auch in meiner Freizeit gerne damit beschäftige (keine Angst, nicht rund um die Uhr), möchte ich hier einige Gedanken zu diesem Thema mit Ihnen teilen.

Von «anderen Waren aus Kunststoffen oder Stahl» in der Maschinenbaubranche

Wenn ich mir die Lieferantenrechnungen von Unternehmen anschaue, die Stahl- oder Kunststoffteile für unterschiedliche Maschinen und Geräte liefern, dann sehe ich oft die Zolltarifnummern oder HS-Positionen 3926.90 oder 7326.90. Im Zolltarif steht dazu Folgendes:

  1. Zu 3926.90: «Andere Waren aus Kunststoffen (...)»

  2. Zu 7326.90: «Andere Waren aus Eisen oder Stahl»

Die Beschreibungen sind sehr allgemein gehalten. Bei Betrachtung der benachbarten Positionen der Zolltarifkapitel 39 und 73 wird ersichtlich, dass die Waren dort genauer beschrieben werden.

HS-Position

Wortlaut der Position nach AV 1

3921

Andere Tafeln, Platten, Folien, Filme, Bänder und Streifen, aus Kunststoffen

3922

Badewannen, Duschen, Ausgüsse (Spülbecken), Waschbecken, Bidets, Klosettschüsseln, -sitze und -deckel, Spülkästen und ähnliche Waren zu sanitären oder hygienischen Zwecken, aus Kunststoffen

3923

Transport- oder Verpackungsmittel, aus Kunststoffen; Stöpsel, Deckel, Kapseln und andere Verschlüsse, aus Kunststoffen

3924

Geschirr, andere Haushalts- oder Hauswirtschaftsartikel, Hygiene- oder Toilettengegenstände, aus Kunststoffen

3925

Baubedarfsartikel aus Kunststoffen, anderweit weder genannt noch inbegriffen

3926

Andere Waren aus Kunststoffen und Waren aus anderen Stoffen der Positionen 3901 bis 3914

Bei C-Teilen ist die Sache relativ einfach. Wenn es sich um eine Schraube oder eine Feder aus Stahl und ein Kunststoffrohr handelt, gibt es dafür eigene Positionen, unter anderem Position 7318 für Stahlschrauben und Position 3917 für Rohre aus Kunststoffen.

Bei Rechnungen fällt auf, dass die Warenbeschreibungen häufig den Angaben in den ERP-Systemen der Kunden oder Lieferanten entsprechen. Hierzu zählen unter anderem Begriffe wie »Gehäuse«, »Seitenteile« oder »Komponententräger«.

Nach Prüfung der Positionen in den Kapiteln 39 und 73 erscheint es auf den ersten Blick folgerichtig, dass für solche Produkte lediglich die Kategorie »andere Waren aus Kunststoffen oder Stahl« infrage käme.

Ich merke aber schnell, dass ich zu kurz gedacht habe. Für eine korrekte Zolltarifeinreihung muss man nicht nur wissen, wie die Waren den einzelnen Wortlauten der Positionen des Zolltarifs zuzuordnen sind. Auch die sogenannten »Anmerkungen« und »Erläuterungen« sind wichtig. Diese findet man leider nicht sofort im Zolltarif. Sie sind offizielle Rechtstexte und müssen separat angeklickt werden.

Von Ausnahmen oder «Ausschlussanmerkungen»

Die Anmerkungen geben die international gültigen Rechtstexte des Harmonisierten Systems (HS) wieder, die von über 200 Ländern der Welt in ihren jeweiligen Zolltarifen angewendet werden. Dabei wird der buchstabengetreue Wortlaut auf HS-Ebene (die ersten sechs Ziffern einer Zolltarifnummer) beibehalten, wobei eine sinngemäße Übersetzung erfolgt. Die HS-Nomenklatur wird lokal individuell erweitert. Daraus ergeben sich die restlichen Ziffern einer lokal gültigen Zolltarifnummer.

Bei den meisten Zolltarifkapiteln sowie Abschnitten, so auch bei Kapitel 39 und Abschnitt XV (darunter ist Kapitel 73), stellen die Anmerkungen mit dem Titel «Zu diesem Kapitel / Abschnitt gehören nicht…» sogenannte «Ausschlussanmerkungen» dar.

Das heißt, sie wollen darauf aufmerksam machen, dass gewisse Kunststoff- und Stahlteile nicht in diesen Kapiteln klassifiziert werden, sondern in anderen Kapiteln.

Im »elektronischen Zolltarif« (EZT) des deutschen Zolls klickt man zunächst auf »Texte«:

Ein neuer Tab oder neues Fenster öffnet sich. Dort klickt man auf »Inhaltsverzeichnis Anmerkungen / Erläuterungen«.

Nun erscheinen die einzelnen Anmerkungen der einzelnen Abschnitte und Kapitel. Scrollen Sie runter, bis das Kapitel 39 erscheint oder geben Sie in der Suchfunktion Ihres Browsers die Zahl »39« ein.

So wird beispielsweise bei Anmerkung 2q) deutlich, dass Schuhe aus oder mit Kunststoffen nicht in das Kapitel 39, sondern in den Abschnitt XII und dort in das Kapitel 64 eingereiht werden.

Bei weiterer Betrachtung der Anmerkung 2 fällt mir ebenso Punkt s) auf, in dem von »Maschinen und Apparaten« die Rede ist. Ich kann jedoch noch keine direkte Verbindung zwischen Kunststoff und Maschinen herstellen.

Was hat Kunststoff und Stahl nun mit Maschinen gemeinsam?

Gebe ich indessen im Zolltarif «84» für Kapitel 84 ein und betrachte einige Positionen, fallen besonders jene wie 8409 oder 8431 auf. Diese beginnen mit dem Wortlaut «Teile, erkennbar als (…)».

Für mich stellt sich die Frage: Gehören Kunststoff- sowie Stahlteile zu den erwähnten Maschinen auch etwa hierher?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir erneut einen Blick auf die Anmerkungen werfen.

Die Anmerkung 2b) zum Abschnitt XVI, zu dem die Kapitel 84 und 85 gehören, bringt Klarheit.

andere Teile sind, wenn sie erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für eine bestimmte Maschine oder für mehrere in der gleichen Position (auch in Position 8479 oder Position 8543) erfasste Maschinen bestimmt sind, der Position für diese Maschine oder Maschinen oder, soweit zutreffend, der Position 8409, 8431, 8448, 8466, 8473, 8503, 8522, 8529 oder 8538 zuzuweisen. Teile, die hauptsächlich sowohl für Waren der Position 8517 als auch für Waren der Positionen 8525 bis 8528 bestimmt sind, gehören jedoch zu Position 8517, und Teile, die ausschließlich oder hauptsächlich für Waren der Position 8524 bestimmt sind, gehören zu Position 8529 (RV C1602B00);

Trotz der komplexen und verschachtelten Formulierung dieser Anmerkung lässt sich folgender wichtiger Passus herauslesen: «andere als die im vorstehenden Absatz erfassten Teile, bei denen zu erkennen ist, dass sie ausschließlich oder hauptsächlich für eine bestimmte Maschine (…) bestimmt sind.»

Was versteht der Zolltarif unter einem »ausschließlich oder hauptsächlich erkennbaren Teil«?

Eine genauere Definition, was als »Teil« gilt, gibt es innerhalb des Harmonisierten Systems leider nicht.

Zu dieser Definition existieren jedoch einzelne Gerichtsentscheidungen. Im Folgenden möchte ich näher auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eingehen.

Auszug aus dem EuGH-Urteil vom 19.10.2000 Rs. C-339/98

Der Begriff »Teil« setzt die Existenz eines Ganzen voraus, für dessen Funktion dieses Teil unentbehrlich ist.

Wenn Sie wissen wollen, ob ein Teil vorliegt, können Sie sich an folgenden Fragen orientieren:

  • Ist das Teil eine Komponente, die beim Zerlegen einer Ware anfällt oder anfallen kann?

  • Ist diese Komponente für den Betrieb der nächstgrößeren Einheit unverzichtbar?

  • Ist die Komponente speziell für die nächstgrößere Einheit hergestellt worden?

  • Hat sie die entsprechenden Merkmale?

Nur wenn alle Fragen mit »Ja« beantwortet werden können, handelt es sich um ein »Teil« im Sinne des Zolltarifs.

Ausschließlich für Maschinen erkennbare Kunststoff- und Stahlteile gehören in die Kapitel 84 oder 85

Unternehmen, die im Auftrag ihrer Kunden Kunststoff- sowie Stahlteile nach Zeichnung spezifisch herstellen und diese keine C-Teile wie Schrauben darstellen, können nicht ohne weitere Abklärungen mit den «Sammelpositionen» 3926 oder 7326 arbeiten.

Gemäß Anmerkung 2s) zum Kapitel 39 und Anmerkung 1f) zum Abschnitt XV müssen diese spezifischen Kunststoff- und Stahlteile in die entsprechenden „Teile(unter)positionen“ der Kapitel 84 und 85 eingereiht werden.

Es liegt auf der Hand, dass Kunden, die solche Teile nach Zeichnung zur Produktion in Auftrag geben, ihre Lieferanten bei der Zolltarifierung unterstützen sollten. Schließlich weiß der Kunde am besten, für welche Maschinen die Teile bestimmt sind.

Korrekte Zolltarifnummern auch für Freihandelsabkommen entscheidend

Es ist insbesondere wichtig, dass Kunden beim Einholen von Lieferantenerklärungen im Bereich des präferenziellen Ursprungs auch die Zolltarifnummern für die Teile angeben. Dies ermöglicht dem Lieferanten, mit der korrekten, produktspezifischen Ursprungsregel zu kalkulieren. Ohne diese Information berechnet der Lieferant möglicherweise falsch oder verwendet fälschlicherweise die Ursprungsregeln, die für die Positionen 3926 oder 7326 vorgesehen sind.

So unterscheiden sich die produktspezifischen Ursprungsregeln beim Freihandelsabkommen zwischen der EU und der Schweiz zum Beispiel bei Teilen für Haushaltskaffeemaschinen (8516) deutlich:

  • Bei Position 8516 sind maximal 50% Drittlandvormaterialien oder ein Positionswechsel erlaubt.

  • Bei Position 7326 wäre nur der Positionswechsel vorgesehen.

  • Bei Position 3926 wären sogar spezifische Herstellungskriterien zu beachten.

Der Vergleich dieser Ursprungsregeln zeigt deutlich, warum eine korrekte Zolltarifeinreihung so entscheidend ist.

Und welche Waren gehören dann wirklich zur Position 7326 und 3926?

Dazu finde ich in den Erläuterungen der beiden Positionen einige Produktbeispiele:

  • Zu 3926.90 gehören beispielsweise: Dichtungen aus Kunststoff (nicht Kautschuk), Triebriemen, Kunststoffschrauben, Kunststoffgriffe für Werkzeuge und viele andere Fertigwaren, die nicht primär im Maschinenbau verwendet werden

  • Zu 7326.90 gehören beispielsweise: Rohrschellen aller Art aus Stahl (keine Rohrverbindungsstücke), Stahlwerkzeugkoffer ohne Einlagen und viele andere Fertigwaren, die nicht primär im Maschinenbau verwendet werden

Wie reiht traideGo ein Gehäuseteil einer Kaffeemaschine aus PVC ein?

1. Produktverständnis:

  • Produkt: Gehäuseteil links unten

  • Material: PVC (Polyvinylchlorid)

  • Verwendung: Für Kaffeemaschine für den Haushalt

Die Beschreibung ist relativ klar, jedoch wäre es hilfreich, mehr über die spezifische Funktion und Form des Gehäuseteils zu wissen.

2. Analyse der Tarifklassifizierung:

  • Kapitel 85: Elektromechanische Haushaltsgeräte und deren Teile Anmerkung 2 zu Abschnitt XVI ([Anmerkungen für »Abschnitt XVI (§ 3)«]): Teile, die erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für eine bestimmte Maschine bestimmt sind, sind der Position für diese Maschine zuzuweisen.

  • Verbindliche Zolltarifauskunft (VZTA): [DEBTI30564/23-1]: Permanentfilter für Kaffeemaschinen wurde unter Position [85169000] eingereiht, da es sich um ein Teil handelt, das erkennbar ausschließlich für Kaffeemaschinen bestimmt ist.

3. Tarifnummer/n:

  • [85169000]: Teile von elektrischen Warmwasserbereitern, Raumheizgeräten, Geräten zur Haarpflege oder zum Händetrocknen, Elektrowärmegeräten für den Haushalt sowie von elektrischen Heizwiderständen, a.n.g.

4. Begründung:

  • Rechtliche Grundlage: AV 1 und AV 6: Die Einreihung erfolgt nach dem Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln. Anmerkung 2 b) zu Abschnitt XVI ([Anmerkungen für »Abschnitt XVI (§ 3)«]): Teile, die erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für eine bestimmte Maschine bestimmt sind, sind der Position für diese Maschine zuzuweisen. VZTA [DEBTI30564/23-1]: Ein ähnliches Teil (Permanentfilter) für Kaffeemaschinen wurde unter Position [85169000] eingereiht.

5. Anfrage nach zusätzlichen Informationen:

  • Nicht erforderlich: Die Produktbeschreibung ist ausreichend für die Tarifierung.

6. Zusammenfassung:

Das Gehäuseteil links unten aus PVC, das erkennbar ausschließlich für eine Kaffeemaschine für den Haushalt bestimmt ist, wird unter der Tarifnummer [85169000] eingereiht. Diese Einreihung basiert auf den Anmerkungen zu Abschnitt XVI und Kapitel 85 sowie auf einer ähnlichen Entscheidung der Verbindlichen Zolltarifauskunft.

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